Geboren wurde ich 1979 in Magdeburg in eine, im System der DDR beheimateten, Familie. Glaube oder Gott spielten keine Rolle. Dennoch hatte ich bereits als Kind die Gewissheit, dass es etwas Größeres geben muss – auch nach dem Tod.
Die Wende nach dem Mauerfall 1989 war für mich und unsere Familie kurz gesagt eine Katastrophe. Das Zurechtfinden in einem neuen System barg viele Schwierigkeiten.
Mein erstes Abendgebet in einer Klinik
Ein Klinikaufenthalt und eine Operation als Kind sollten der Weg sein zu einer ersten Begegnung mit Ordensschwestern. Für mich waren das damals merkwürdig gekleidete Gestalten, die ich in meinem bisherigen Umfeld nicht kannte. Jeden Abend sprach diese Ordensfrau ein Gebet zu jemanden, den man nicht sah. Sie sprach von Gott Vater. Von da an bestärkte sich der Eindruck von diesem Größeren – es hatte einen Namen bekommen: Gott.
Angesprochen von dieser Erfahrung wollte ich mehr wissen. Gibt es denn so etwas wie Gott? Was ist das? Wie kommt man in Kontakt?
Diese unverständliche altdeutsche Bibel und meine Fragen
Meinen Wissensdurst, mein Fragen und Suchen endete damit, dass mir meine Mutter zu Weihnachten eine Bibel in einem schwerverständlichen Deutsch schenkte. Kinderbibeln oder dergleichen gab es nicht oder kannte meine Familie nicht. Nichtdestotrotz las ich diese Bibel von vorne bis hinten durch. … und ich verstand nicht viel. Ich brauchte unbedingt jemanden, der sich auskannte und mir die Dinge erklären konnte.
Zwischen dem Schulabschluss und der Ausbildung zur Krankenschwester, hatte ich die Möglichkeit ein Überbrückungsjahr in einer katholischen Einrichtung der Schönstätter Marienschwestern zu machen. Eine der Schwestern konnte ich mit all meinen Fragen zu Gott und zur Bibel bombadieren und sie erklärte mir geduldig was es mit diesem Gott auf sich hat. Das Osterfest 1996, das ich bei den Schönstattschwestern in Friedrichsroda mitfeierte wurde für mich – aus heutiger Sicht – zum Schlüsselerlebnis meiner Berufung. Im dortigen Heiligtum hatte ich den Eindruck, dass Jesus sehr deutlich zu mir gesprochen hat. Ich war fest entschlossen, nach meiner Krankenschwesterausbildung wollte ich Ordensschwester werden. Dazu musste ich noch getauft werden und dann steht nichts mehr im Wege. So dachte ich.
Doch es lief nicht ganz so geradlinig. Ungefähr sechs Monate nach meiner Taufe ist die Verbindung zu Gott einfach abgebrochen. Wo ich mir immer so sicher war, war nichts mehr. Einfach nichts mehr, kein Kontakt und kein Bedürfnis danach.
Meine Art Gott zu dienen und was daraus wurde
Ich hatte als Krankenschwester eine sehr gute Stelle und liebte die Arbeit und das Leben. Nach einiger Zeit meldete sich Gott – gefühlt – aus dem Nichts, und ich spürte erneut die Frage nach einem Ordensleben. Ehrlich gesagt, passte mir das gar nicht. Ich konnte nicht alles aufgeben. Und die Gefahr, dass Er und der Glaube einfach wieder verschwinden könnten, war mir zu groß. Also machte ich mit Gott einen Kompromiss. Ich widme Gott mein Leben, aber auf meine Art. Tunlichst vermied ich alle Orte wie Kirchen, religiöse Angebote oder ruhige Zeiten, in denen Gott sich melden könnte. Doch Gott ließ nicht locker.
Also entwickelte ich eine Strategie, ihm endgültig zu beweisen, dass so ein Ordensleben nichts für mich ist. Konfrontation war angesagt. Ich suchte mir irgendein Kloster in Deutschland – möglichst weit weg, wollte es anschauen und endgültig einen Schlussstrich ziehen. Doch es kam ganz anders. Im Sommer 2013 entdeckte ich das Kloster Sießen auf der Landkarte bzw. im Internet.
Diese Begegnung war der Anfang der Führung Gottes in meinem Leben und die erneute Anfrage nach einem gottgeweihten Leben. Gott hat mir ein Schnippchen geschlagen. Seit her gehe ich glücklich meinen Weg mit Ihm in der Gemeinschaft der Franziskanerinnen von Sießen.
Sr. Michaele